Rosie Jackson - Schlangensymbol - Acryl - Radierungen - www.rosiejackson.de
Leinwand Position -Beispielbürger -  Reality - Tableau B Beispielbürgerin Nr. 13 - Reality - Tableau B

100 Global Villagers sind jeweils in THE WORLD – REALITY und THE WORLD – VISION gemalt. Für alle gibt es eine begleitende Biographie.

BEISPIELBÜRGER Nr. 13 – Genussfähigkeit

50-jährige Frau aus der Provinz Shaanxi, China. Konfessionslos, lebt in Armut und ist unterernährt, kann lesen und schreiben, spricht Mandarin, heterosexuell

Portraitiert in THE WORLD – REALITY (Tableau A, oben links und Tableau B, unten links) und in THE WORLD – VISION (Tableau B, unten links)

REALITY

Wie eine metallene Schlange dreht und windet sich der Gelbe Fluss einem verschleierten Horizont entfernter Berge entgegen. Als er den Kurs wechselt, peitscht das Wasser um die Biegungen, färbt sich braun vom Schlick und ist beständig ruhelos. Auch eine Frau bewegt sich entlang seines Ufers stetig weiter, obwohl sie nicht mit dem Tempo des Wasserlaufs Schritt halten kann.

Sie schlurft in sackartigen Hosen einher und ihre zerrissene Schürze flattert im Wind. Vier dicke Bambusstangen sind zusammengebunden, die vorderen Enden ruhen auf ihren Schultern und die hinteren vier oder fünf Meter hinter ihr auf dem Boden. Mit ihren nach beiden Seiten ausgestreckten Armen beugt sie sich unter einem riesigen Kreuz.

Angestrengt und unter dem Gewicht schwitzend, konzentriert sie sich auf ihre Füße, ohne die sie passierenden Fahrräder wahrzunehmen, die mit Gasflaschen und Salzsäcken hoch bestapelt sind. Sie hat sich damit abgefunden, ihre Last zu tragen, und ist entschlossen, bis zum bitteren Ende durchzuhalten. Sie muss die Stangen zur Baustelle flussabwärts transportieren. Es gibt keine andere Möglichkeit, über die Runden zu kommen.

VISION

Gegen Mittag wird sie von einer Gruppe barfüßiger Männer, die mit Schubkarren voll Kohle vorbeirennen, angeschrieen, aus dem Weg zu gehen. Sie hört sie nicht. Ihr halbherziger Versuch, in letzter Minute auszuweichen, lässt sie auf die Seite fallen. Die Sonne brennt intensiv herunter, die Stangen schneiden in ihre blutenden Schultern, und sie ist am Rande eines völligen Zusammenbruchs. Einer der Fischer, deren Netze zwischen den Weidenbäumen herabhängen, bemerkt ihr Straucheln und eilt ihr zur Hilfe.

Obwohl ihr innerer Stolz sofort rebelliert, erlaubt sie sich, sich helfen und verbinden zu lassen. Eine Gruppe zerlumpter, barfüßiger Kinder versammelt sich um sie und gafft. Normalerweise würde sie sie brüsk wegstoßen, aber ihr Knöchel ist verstaucht und sie kann sich nicht bewegen. Anstatt verbale Beschimpfungen auszustoßen, spricht sie sanft mit ihnen, erklärt, was passiert ist. Sie tröstet ein zurückhaltendes Kleinkind mit tränengezeichneten Wangen, das sich vor dem Anblick von Blut fürchtet.

Sie wird eingeladen, solange zu bleiben, bis sie wieder genesen ist, und die Kinder sind begeistert darüber, ihr Insekten und Blumen zu zeigen, die sie gefunden haben. Der Fischer bindet die Bambusstangen gern hinter seinem Boot fest, so dass sie mühelos abwärts zur Baustelle treiben. Er muss sowieso dort entlang.

Die Frau lernt, aufmerksam zuzuhören, Hilfe gnädig anzunehmen und kostbare, freudvolle Momente mit ihrer neu adoptierten Familie zu genießen. Im Laufe der Zeit fühlt sie sich lebendiger als je zuvor, denn sie erkennt, dass ihre eigene engstirnige Sicht die einzige Quelle jedes Hindernisses ist, das ihr auf dem Lebensweg begegnet. 
 

Fragen

  • Welches Kreuz hast Du auf Dich genommen?
  • Was ist die Last, die Dich zum Stolpern bringt?
  • Was, wenn „Stolpern“ kein Zeichen von Schwäche wäre, sondern eine Gelegenheit, zu überlegen, warum du diesen schwierigen Weg gewählt hast, und ob es zweckmäßig ist, ihm weiter zu folgen? Inwiefern bestimmt dein Stolz dein Verhalten? Ist Schmerz für dich mit Versagen verbunden?
  • Wie oft nimmst du Hilfsangebote an?
  • Was machst du weiterhin, obgleich deine Intuition dir sagt, dass es deiner Gesundheit schadet?
  • Kannst du mit der Leichtigkeit und Spontaneität eines kleinen Kindes weinen?
  • Kannst du jede Blume und jedes Insekt als ein Wunder sehen? Wofür kannst du dankbar sein?
  • In Experimenten wurde bewiesen, dass Laserstrahlen sich beschleunigen, wenn ein Objekt in ihrer Bahn liegt. Kannst du Hindernisse als Hilfsmittel betrachten, die dich schneller zum Ziel bringen?
  • Was wäre, wenn alle auf der Welt die Angst vor Gesichtsverlust ablegen und Versagen als Lernmöglichkeit willkommen hießen, statt Strategien zu entwickeln, um sich zu schützen und zu verteidigen?